Herz stolpert oder rast: Wie schützt man sich vor Vorhofflimmern und seinen Gefahren?
Herz aus dem Takt: Die Deutsche Herzstiftung informiert über Ursachen, Symptome und medizinische Maßnahmen, die vor den Gefahren des Vorhofflimmerns wie Herzschwäche und Schlaganfall schützen. Herzwochen mit über 1.000 Herz-Seminaren und neuem Experten-Ratgeber für Betroffene.
Über 1,8 Millionen Menschen in Deutschland haben Vorhofflimmern. Jedes Jahr kommen Tausende dazu. Mit dem Alter steigt das Risiko steil an, Vorhofflimmern zu bekommen: Bei den über 60-Jährigen liegt die Häufigkeit bei rund 5 %, bei den über 80-Jährigen sind es sogar rund 15 %. „Vorhofflimmern ist eine ernst zu nehmende Herzrhythmusstörung, die unbemerkt und unbehandelt lebensbedrohlich für Herz und Gehirn werden kann, bis hin zu Herzschwäche und Schlaganfall. Das zu verhindern, muss Vorhofflimmern frühzeitig vom Arzt diagnostiziert und konsequent behandelt werden“, warnt Prof. Dr. med. Dietrich Andresen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Über 35.000 Schlaganfälle pro Jahr verursacht Vorhofflimmern in Deutschland. Deshalb informiert die Deutsche Herzstiftung in einer bundesweiten Kampagne vom 1.-30. November über diese bedrohliche Volkskrankheit mit über 1.000 Veranstaltungen unter dem Motto „Herz außer Takt – Vorhofflimmern und Gerinnungshemmung“. Veranstaltungstermine und aktuelles Informationsmaterial (kostenfrei) für Betroffene und Angehörige sind unter www.herzstiftung.de abrufbar.
Vorhofflimmern: Bei diesen Beschwerden zum Arzt!
„Viele Patienten klagen über einen erheblichen Verlust an Lebensqualität. Besonders dann, wenn sie nur zwischenzeitlich für ein paar Stunden oder Tage Vorhofflimmern haben und daher wissen, wie schön ein regelmäßiger Herzrhythmus ist“, betont Andresen. Bei Vorhofflimmern ist das Herz meist völlig außer Takt. Der erste Anfall kann mit heftigen Schlägen bis in den Hals hinauf, Druckgefühl im Brustkorb und einer ungewohnten Luftnot bei leichten Tätigkeiten (Treppensteigen) auftreten. Betroffene verspüren eine plötzliche Unruhe, wenn das Herz völlig unregelmäßig und schnell mit einem Puls von bis zu 160 Schlägen pro Minute rast, selten auch schneller. Die chaotische Herzschlagfolge kann aber auch mit einer normalen Herzfrequenz einhergehen (normal sind 60-100 Schläge pro Minute). „Oft sind Herzstolpern und Herzrasen verbunden mit innerer Unruhe, Angst, einer Neigung zu schwitzen, Atemnot und Leistungsschwäche“, erläutert der Kardiologe am Ev. Hubertus-Krankenhaus in Berlin. „Allerdings sind bei Herzpatienten, deren angeschlagenes Herz die Rhythmusstörung schlechter verträgt, Atemnot, Brustschmerzen und Schwindel besonders häufig. Bei diesen Symptomen sollte man sofort den Arzt aufzusuchen!“ Er kann mit einem EKG, Langzeit-EKG oder Ereignis-Rekorder klären, ob das Herzstolpern eine harmlose Unregelmäßigkeit des Herzschlags ist oder ob Vorhofflimmern vorliegt, das zum Schlaganfall führen kann.
Vorhofflimmern kann Schlaganfall auslösen, der tödlich sein kann
Aufgrund des unregelmäßigen Herzschlags können sich im Herzen in einer Ausbuchtung des Vorhofs (sog. Herzohr) Blutgerinnsel bilden. Werden diese ausgeschwemmt und gelangen mit dem Blutstrom in den Kopf, verstopfen sie ein Hirngefäß. Je größer das verstopfte Gefäß, desto schwerer der Schaden. Viele Betroffene sterben daran, zahlreiche sind gezeichnet durch nicht wieder gut zu machende Lähmungen mit Einschränkung ihrer Mobilität. „Der Schlaganfall ist die größte Gefahr, die vom Vorhofflimmern ausgeht. Ein besonders hohes Risiko haben Alte und herzkranke Patienten“, warnt Andresen. „Um sie vor Schlaganfall zu schützen, müssen daher konsequent gerinnungshemmende
Medikamente – ,Blutverdünner‘ – gegeben werden.“ Mit welchen Warnsignalen sich ein Schlaganfall ankündigt, erläutert unter www.dhs.tips/schlaganfall ein Experten-Beitrag.
Tückisch: Unbemerktes Vorhofflimmern
Tückisch ist, dass Vorhofflimmern bei über der Hälfte aller Patienten ohne Symptome oder Beschwerden auftritt und dadurch lange Zeit unbemerkt bleibt. Nicht selten werden Patienten mit einer Herzschwäche oder einem Schlaganfall stationär aufgenommen und erfahren zum ersten Mal, dass Vorhofflimmern dafür verantwortlich ist. Das gilt verstärkt für ältere Patienten, bei denen Vorhofflimmern oftmals erst per Zufallsbefund festgestellt wird. „Schlaganfälle, die durch Vorhofflimmern ausgelöst werden, haben einen besonders schwerwiegenden Verlauf“, warnt Andresen. Deshalb sollte jede Möglichkeit genutzt werden, den unregelmäßigen Herzschlag festzustellen: wiederholt den eigenen Puls tasten, die Anzeige am Blutdruckmessgerät beachten, vielleicht sogar eine App aufs Handy laden, die Pulsunregelmäßigkeiten festzustellen hilft. „Aber die App darf nicht als alleiniges
Diagnoseinstrument angesehen werden, nur der Arzt kann eine sichere Diagnose stellen.“ Die Deutsche Herzstiftung rät: Besonders Herzkranke und Personen ab 60 sollten bei Routinekontrollen beim Arzt den Herzschlag durch Pulsmessung prüfen lassen.
Basis für Therapieerfolg: Ursachen des Vorhofflimmerns behandeln
Steht die Diagnose Vorhofflimmern fest, besprechen Kardiologe und Patient die Therapiemöglichkeiten. „Oft ist es sinnvoll, Vorhofflimmern bei seltenen Anfällen, die nur ein- bis dreimal im Monat auftreten und nur wenige Sekunden andauern, zunächst nicht zu behandeln, sondern zunächst nur die Grunderkrankung, die die Rhythmusstörung verursacht hat“, sagt Prof. Dr. med. Andreas Götte vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und Chefarzt der Kardiologie am St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn. Aufgabe des Kardiologen ist es, mit Hilfe von Untersuchungen
(Blutdruckmessung, Laborwerte, EKG/Belastungs-EKG, Herzecho) die Grunderkrankung der Rhythmusstörung aufzudecken und diese konsequent zu behandeln. Am häufigsten: Bluthochdruck liegt bei ca. 70 % aller Patienten mit Vorhofflimmern vor. Weitere Ursachen können z. B. koronare Herzkrankheit (KHK), Herzschwäche (Herzinsuffizienz), Klappenerkrankungen, Übergewicht, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und Schlafstörungen (Schlafapnoe-Syndrom) sein. „Diese Grunderkrankungen sind konsequent mit Medikamenten und einem gesunden Lebensstil zu behandeln: mit Ausdauertraining je 20-30 Minuten 3- bis 5-mal die Woche, Abnehmen bei Übergewicht, gesunder Ernährung und Rauchverzicht.“ Starkes Rauchen, chronischer Alkoholmissbrauch und eine erbliche Neigung gehen mit Vorhofflimmern einher. Gerade bei Herzkranken, aber auch bei Gesunden gibt es Reize („Trigger“), die Vorhofflimmern auslösen können: Alkohol (mehr als 36 g bzw. mehr als 2 Gläser Wein pro Tag), Schlafentzug, extremer Stress, Rauchen, starker Koffeinkonsum und opulente Mahlzeiten. Auch Störungen des Salzhaushalts (Elektrolyte) mit einem Mangel von Kalium und Magnesium können Vorhofflimmern begünstigen. „Dann müssen Kalium und Magnesium zugeführt werden.“
Mit „Feuer“ oder „Eis“ gegen Vorhofflimmern: die Katheterablation
Wenn bei Patienten trotz der Behandlung mit Rhythmusmedikamenten (Antiarrhythmika) erhebliche Beschwerden wie Atemnot, Herzrasen, Leistungsschwäche fortbestehen, ist eine Katheterablation sinnvoll, mittlerweile ein Standardverfahren. Erfahrene Rhythmologen können bei ungefähr 70 % der Patienten mit einem Eingriff anfallsweises Vorhofflimmern beseitigen. Bei anhaltendem Vorhofflimmern liegt die Erfolgsrate bei ca. 50 %. Bei manchen Patienten kann nach dem ersten Eingriff eine erneute Behandlung notwendig sein. „Die Patienten gewinnen erheblich an Lebensqualität. Allerdings sollten nur dafür ausgewiesene Spezialkliniken die Behandlung durchführen“, betont Prof. Dr. med. Gerhard Hindricks vom Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung und Leiter der Abteilung für Rhythmologie am Herzzentrum Leipzig. Vorhofflimmern wird durch elektrische Störimpulse aus den vier Lungenvenen (Pulmonalvenen), die in den linken Vorhof einmünden, ausgelöst. Bei einer Pulmonalvenenisolation werden durch gezieltes Setzen von Verödungszonen bzw. Narben elektrische Barrieren zwischen den vier Lungenvenen und dem linken Vorhof aufgebaut. Diese Barrieren verhindern das Auftreten und die Aufrechterhaltung von Vorhofflimmern. Die Verödung von Herzzellen erfolgt mit „Feuer“ (Hochfrequenzstromablation) oder „Eis“ (Kryoablation). „Die Katheterablation gilt in erfahrenen Zentren als sicheres Verfahren: Bei rund 95 % der Patienten treten keine wesentlichen Komplikationen auf. Aber der Eingriff ist nicht ohne Risiken“, so Hindricks. Mögliche Komplikationen sind u. a. Gefäßverletzungen (Risiko: 1-2 %), Blutung in den Herzbeutel (Risiko: ca. 1 %) und Schlaganfall (Risiko: unter 1 %).
Vorhofflimmern kann das Herz schwächen
Ein lange Zeit bestehendes Vorhofflimmern kann auch zu einer Herzschwäche führen, die bei Betroffenen die Leistungsfähigkeit erheblich einschränkt und die Lebensqualität mindert. Neben der Behandlung mit Elektroschock (Kardioversion) und Rhythmusmedikamenten (Arrhythmika) sehen neueste Studien in der Katheterablation ein vielversprechendes Verfahren, das bei gleichzeitiger Herzschwäche einen positiven Einfluss auf die Lebenserwartung haben und die Beschwerden lindern kann. Aber auch der operative Eingriff zur Behandlung von Vorhofflimmern kann hier ein erfolgversprechender Therapieansatz sein.
Neuer Experten-Ratgeber
Der Ratgeber „Herz außer Takt: Vorhofflimmern“ der Deutschen Herzstiftung informiert leicht verständlich über Ursachen, aktuelle Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten des Vorhofflimmerns sowie über die Gerinnungshemmung. Der Band (136 S.), verfasst von renommierten Herzspezialisten, ist kostenfrei erhältlich unter
www.herzstiftung.de oder
per Tel. unter 069 955128400,
E-Mail: bestellung@herzstiftung.de